Ein Plan für das Kapital, gegen die Arbeit

Um die Regierung zu schlagen – Generalstreik!

Wenig überraschend hat [Premierminsterin Èlisabeth] Borne am 10. Januar nach monatelangen Beratungen mit den Gewerkschaftsführern und letzten Verhandlungen mit LR [Les Républicains – extrem reaktionäre bürgerliche Partei, die die Regierung Macron stützt] die „Gegenreform“ der Renten vorgestellt:

Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters um zwei Jahre von 62 auf 64 Jahre.

  • Erhöhung der Beitragsdauer von 42 Jahren auf 43 Jahre ab 2027 statt 2035, um eine Vollrente zu erhalten,
  • Abschaffung der Sonderrentensysteme der RATP, EDF, ENGIE, RTE…
  • Beibehaltung der Sonderregelungen (die « Bonifikationen ») für Polizisten und Soldaten.
  • Der Entwurf soll am 23. Januar im Ministerrat vorgestellt, ab dem 6. Februar in der Nationalversammlung diskutiert und in den Berichtigungshaushalt der Sozialversicherung aufgenommen werden, um ab dem 1. September anwendbar zu sein.

    Genauso wenig, wie dieser Entwurf [für die Arbeiter*innen] in den vorangegangenen Monaten verhandelbar war, ist er heute akzeptabel oder verbesserungswürdig. Es gibt nur eine Losung: vollständige Rücknahme des Gesetzentwurfs gegen die Renten!

    Der letzte Bericht des Renten-Orientierungsrats (Conseil d’orientation des retraites – COR) im September letzten Jahres hatte wie schon so oft zuvor den Boden aufbereitet. Die Argumente für diesen sechsten Angriff seit 1993, länger arbeiten zu lassen und die Renten zu senken, sind immer dieselben: Einzelfälle verbessern, « unser » System retten… In Wirklichkeit wird die buchhalterische Schieflage durch den Staat selbst und insbesondere durch die zunehmende Befreiung der Kapitalist*innen von den Sozialabgaben verursacht.

    Während die Lohnabhängigen die überwältigende Mehrheit des materiellen und immateriellen Reichtums der Gesellschaft schaffen, geht es darum, den Gesamtlohn (direkt und indirekt) zu senken, um den Profit zu steigern. Die Einschränkung der Arbeiter*innenrechte während Macrons erster Amtszeit, die fortgesetzte Senkung der Steuern und Sozialabgaben für Unternehmer*innen und Reiche, der jüngste Angriff auf Arbeitslose, der Verfall der öffentlichen Krankenhäuser und die jüngste Umgestaltung der Berufsausbildung … sind Teil dieser Offensive des Kapitals gegen die Arbeit.

    Es ist auch die Profitgier, die den Marsch in die Klimakatastrophe erklärt, die von den bürgerlichen Staaten zwar nicht gewollt wird, die sie aber nicht verhindern können.

    Wem nützt der « soziale Dialog »?

    Macron hatte von Anfang an die Marschrichtung angekündigt. Dennoch saßen die Gewerkschaftsvertreter*innen weiterhin im Renten-Orientierungsrat. Dennoch sind alle Gewerkschaftsführer*innen den Vorladungen des Präsidenten und der Regierung gefolgt, als ob er seine Meinung ändern und sich auf die Seite der Arbeit gegen das Kapital stellen würde!

    Der Arbeitsminister hat seit Oktober drei Runden von Beratungen mit den Sozialpartnern durchgeführt.

    „Ich habe mich persönlich dreimal und letzte Woche noch einmal mit den Führer*innen der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände getroffen. Jeder hat an den Gesprächen teilgenommen. Dieser Dialog war nützlich. » (Élisabeth Borne, Rede, 10. Januar).

    Die „Mitbestimmung“ im COR, die Verhandlungen über die antisozialen Pläne sind für die Regierung nützlich. Nicht aber für die Lohnabhängigen. Sie lassen den bürgerlichen Staat als neutral erscheinen. Sie verhindert, dass sich die Regierung im Dienste des Kapitals und die Masse der Arbeiter*innen, die ihre Errungenschaften entschlossen verteidigt, gegenüberstehen.

    Die wiederholten « Aktionstage » haben noch nie zum Sieg geführt.

    Diese Kumpanei zeigt sich auch darin, dass die Intersyndicale [Gewerkschaftskoordination der verschiendenen Verbände] CFDT-CGT-FO-SUD-UNSA-FSU-CFTC-CGC nicht die Rücknahme des Entwurfs fordert und sich damit begnügt, einen ersten « Aktionstag » am 19. Januar auszurufen.

    Im Übrigen hat die Regierung Macron-Borne keine Angst vor wiederholten « Aktionstagen », die den Kampfgeist der Arbeiter*innen nach und nach schwächen. Diese haben bei den bisherigen Kämpfen zur Verteidigung der Renten in den Jahren 2003, 2010, 2013 und 2019-2020 jedes Mal zur Niederlage geführt. Die Regierung fürchtet sich kaum mehr vor « verlängerbaren oder Rotations-Streiks » [réconductibles], die Standort für Standort gestartet werden, verstreut sind und die kämpferischsten Arbeiter*innen isolieren und zermürben, ohne Ergebnisse zu erzielen.

    Werden wir wieder und wieder mit « starken Aktionen », einer « langfristigen » Mobilisierung und einem Rotations-Streik an einigen Standorten beginnen, während die Gewerkschaftsführer weiterhin zu Aktionstagen aufrufen und fordern, den Angriff auf die Renten neu zu verhandeln?

    Die politischen Helfershelfer der Regierung, die Gewerkschaftsapparate, versuchen, einen Generalstreik zu verhindern.

    LFI [La France Insoumise – „Unbeugsames Frankreich“ – von Jean-Luc Mélenchon gegründete reformistisches Partei] ruft für den 21. Januar zu einem « Marsch für die Renten » auf, zusammen mit der POI [Unabhängige Arbeiter*innenpartei – lambertistische Kleinpartei], die ebenfalls nicht zur Rücknahme der Regierungspläne aufruft. Dies ist Teil der zunehmenden symbolischen Proteste (auf der Straße und im Parlament), die die Regierung kalt lassen. Ansonsten befürwortet die LFI ebenso wie die PS und die PCF die Initiativen der Gewerkschaften. Alle versprechen, bei der Diskussion in der Nationalversammlung wie die Löwen zu kämpfen. Aber was soll’s? Die Regierung hat sich mit LR abgesichert und würde, wenn es sein müsste, den 49.3er herausholen [der Paragraph 49.3 ermöglicht es der Regierung, gegen die Nationalversammlung Gesetze zu beschließen, die gültig werden, wenn die Regierung nicht binnen 24 Stunden durch ein Misstrauensvotum gestürzt wird. Daher die Packelei zwischen Borne und LR].

    Alle Vertreter*innen der Gewerkschaftsbürokratie, selbst diejenigen, die keine Abgeordneten stellen, haben sich davor gehütet, in den Gewerkschaften einen Kampf gegen die „Konzertierung“ zu führen. Heute rufen sie die Lohnabhängigen dazu auf, den Apparaten zu gehorchen.

    Leute, die keinen Generalstreik wollen, müssen unweigerlich alle Anstrengungen unternehmen, um den Streik im Rahmen eines halbpolitischen Halbstreiks zu halten, d.h. ihn seiner Kraft zu berauben » (Trotzki, 6. Mai 1926).

    Die Abspaltung der NPA [gemeint ist Révolution Permanente, Mitglied der von der argentinischen PTS geführten Trotzkistischen Fraktion/IV. Internationale, die lange eine Fraktion der Nouveau Parti anticapitaliste – Neue Antikapitalistische Partei war] von 2021 kämpft nicht für die Durchsetzung des Generalstreiks, sondern spricht sich für die « reconductible » aus, die die Chefs von CGT und SUD nicht stört.

    Es sind also keine halben Sachen möglich, wir müssen einen Schlachtplan auf den Tisch legen, der es ermöglicht, die breiten Sektoren unserer Klasse, deren Wut auf die Regierung, aber auch auf die hohen Lebenshaltungskosten bereits spürbar ist, in einem Rotations-Streik zu mobilisieren, der allein in der Lage ist, Macron zum Einlenken zu bewegen. Es ist dringend notwendig. (Permanente Revolution, 10. Januar)

    Die NPA [Neue Antikapitalistische Partei – linksreformistische Partei] hat sich Ende 2022 gerade gespalten. Die Pro-NUPES-Fraktion [Nouvelle union populaire écologique et sociale – Neue ökologische und soziale Volksfront, von Mélenchon initiitertes Bündnis „linker“, auch bürgerlich-ökologischer, Parteien] kämpft nicht für die Durchsetzung des Generalstreiks, sondern passt sich der von der LFI und den Gewerkschaftsführern organisierten Zersplitterung an.

    Beteiligen wir uns an allen Mobilisierungsinitiativen, die stattfinden werden, insbesondere am branchenübergreifenden Streik am 19. Januar, zu dem alle Gewerkschaften aufgerufen haben, und an der Demonstration am 21. Januar in Paris, zu der die Jugendorganisationen aufgerufen haben (NPA, Strömung B, 10. Januar).

    Die andere Fraktion kämpft nicht für den Generalstreik, sondern orientiert sich an den Apparaten der FSU, SUD und CGT.

    Am Dienstag, den 17. Januar, streiken die Beschäftigten im Bildungswesen für Neueinstellungen und zur Verteidigung der Renten. Am Donnerstag, dem 19. Januar, findet ein erster branchenübergreifender Streiktag statt, zu dem die Intersyndicale aufgerufen hat. Am Samstag, den 21. Januar, wird eine landesweite Demonstration stattfinden, zu der insbesondere mehrere Jugendorganisationen aufgerufen haben. Wir müssen diese ersten Termine schon jetzt vorbereiten » (NPA Strömung C, Kommuniqué, 10. Januar).

    LO [Lutte Ouvrière – Arbeiter*innenkampf, beruft sich auf den Trotzkismus] kämpft nicht für die Durchsetzung des Generalstreiks, sondern dafür, dass die Basis « Streiks » befolgt, die von den Bürokratien der CGT und der FSU verordnet werden.

    Es wird also alles wesentlich von den Arbeiterinnen und Arbeitern selbst abhängen. Wir müssen in uns selbst die Energie und die Entschlossenheit finden, um Macron zurückzudrängen. Bisher wird der massive Widerstand gegen diesen Angriff nur in Umfragen gemessen. Nun, wir werden sie in den Betrieben durch Streiks und auf der Straße durch Massendemonstrationen zum Ausdruck bringen müssen! (Nathalie Arthaud, 9. Januar)

    Erzwingen wir den Generalstreik, um zu siegen!

    Die zahlreichen Beweise für die Unzufriedenheit in den Krankenhäusern und Berufsschulen, der massive Streik in den Raffinerien im Herbst und der Streik der SNCF-Arbeiter zu Beginn des Winters zeigen, dass das Proletariat über die Ressourcen verfügt, um seine Rechte zu wahren, die Rücknahme des Projekts zu erreichen und der Macron-Borne-Regierung eine Niederlage beizubringen.

    Um zu gewinnen, muss die Kraft der gesamten Arbeiterklasse im Generalstreik bis zur Rücknahme aufgerichtet werden. Warum um den heißen Brei herumreden? Die Konvergenz der Kämpfe – das kann nur der Generalstreik sein! Das „Alle zusammen“ – das kann nur der Generalstreik sein! Die Generalmobilisierung – das kann nur der Generalstreik sein! Es gibt keinen anderen Weg, um die Regierung zu besiegen.

    Wir müssen uns organisieren, um die Gewerkschaftsbürokratien zu überrollen. Überall, in den Betrieben, Büros, Krankenhäusern, Schulen, Fakultäten usw., müssen Aktionskomitees für den Generalstreik aufgebaut und untereinander koordiniert werden, damit sie in den Generalversammlungen, in den Gewerkschaftssektionen mit einem gemeinsamen Schlachtruf auftreten: Um die Regierung zu besiegen – Generalstreik!

    14. Januar 2023

    Groupe Marxiste Internationaliste